HOLISTISCHE UND INTEGRATIVE TENDENZEN IN DER ZWEITSPRACHERWERBSFORSCHUNG

Ulrike Schröder1
schroederulrike@gmx.com

Universidade Federal de Minas Gerais

Un corto análisis de los principales acercamientos a la adquisición de una segunda lengua revela que existe una diversidad de teorías provenientes de diferentes asignaturas. Sin embargo puede apreciarse una tendencia de ideas que parte de una visión centrada en un sistema para llegar a una centrada en el individuo. Consecuentemente este artículo enfoca inicialmente las dos teorías fundamentales del área: el behaviorismo y el nativismo para proceder a ilustrar la serie de teorías dedicadas a los aspectos individuales, sociales e interactivos de SLA, que son desdeñados en las ideas mencionadas en primer lugar. Finalmente se discutirán dos esquemas corrientes que pretenden sintetizar e integrar elementos de las otras teorías, superando con ello la rígida dicotomía entre los procesos internos y los externos: el punto de vista construccionista y la teoría de los culturemas.

Palabras clave: Adquisición de una segunda lengua, constructivismo, “teoría de los culturemas”

A short review of the main Second Language Acquisition approaches illustrates that there is a rather confusing variety of theories derived from different disciplines. However, a tendency of concepts which part from
a system-centred view to individual-centred ones can be observed. Hence, the article begins focussing on the two fundamental theories of the area: behaviourism and nativism, followed by the illustration of a range of theories which are devoted to the individual, social and interactive aspects of SLA which are neglected in the first mentioned concepts. Finally, two current outlines will be discussed which pretend to synthesize and integrate elements of the other theories, thereby overcoming the rigid dichotomy between internal and external processes: the constructionist viewpoint and the theory of culturems.
Key Words: Second Language Acquisition, construtivism, theory of culturems

1. EINLEITUNG

Im Rahmen der Zweitspracherwerbsforschung existiert eine unübersichtliche Vielzahl von Theorien verschiedenster Disziplinen. Auf inhaltlicher Ebene lässt sich dabei grundsätzlich eine Tendenz von sprachsystemzentrierten zu individuumszentrierten Ansätzen verzeichnen. Versuche, die Theorienvielfalt zu ordnen (vgl. u.a. Spolsky 1989, Larsen- Freeman/Long 1991, Baretta 1993, Mitchell/Myles 1998, Helbig/Götze 2001, Oksaar 2003), demonstrieren, wie schwierig es ist, die verschiedenen Ansätze zu synthetisieren, was u.a. auf die zunehmenden Detailkenntnisse im entsprechenden Forschungsbereich zurückgeführt werden kann, die zu einer wachsenden Ausdifferenzierung des jeweils fokussierten Schwerpunkts führen; der Blick auf Parallelentwicklungen in anderen Disziplinen bleibt dabei meistens ausgespart. Ebenso selten finden sich Bemühungen, rivalisierende Thesen zusammenzuführen oder komplementäre Modelle in metatheoretischer Perspektive miteinander zu verbinden. Zwei Ansätze jedoch, die in den letzten Jahren zunehmend an Popularität gewinnen, weisen in die Richtung, die ein integratives Theoriemodell zum Zweitspracherwerb nehmen könnte: Der auf biologischen Befunden basierende Konstruktivismus und die im Rahmen der zunehmende Fokussierung von Problembereichen der interkulturellen Kommunikation entwickelte Kulturemtheorie.
Im Folgenden werden rückblickend zunächst die verschiedenen Linien der Zweitspracherwerbsforschung skizziert. Zur Diskussion stehen daher sowohl ihre Wurzeln – der Behaviorismus und der Nativismus – als auch die daran anschließenden Versuche verschiedenster Richtungen, dem in diesen Ansätzen oft vernachlässigten individuellen Lerner und seiner Umgebung gerecht zu werden. Diese Umorientierung von einer produktzentrierten Betrachtung der Sprache als System zu einer stärkeren Thematisierung des je individuell variierenden Prozesses des Zweitspracherwerbs impliziert zugleich eine Abkehr von rein theoretischen, generalisierenden Erörterungen und eine Hinwendung zu empirischen, kontextgebundenen Untersuchungen. Im Anschluss daran gelangt der Konstruktivismus als eine denkbare Metatheorie ins Blickfeld, der es auf der Basis neuerer Befunde zur Gehirnphysiologie gelingt, eine biologisch fundierte Grundlage zu schaffen, auf der sich die verschiedenen Ansätze nicht länger ausschließen müssen, sondern miteinander verbinden lassen. Dieser holistische Ansatz lässt sich in kulturtheoretischer Sicht durch die von Oksaar begründete Kulturemtheorie ergänzen, welche sich bereits in anderen Ansätzen

ankündigt und von einer Renaissance der Kontrastivhypothese zeugt, , so dass beide Theorien wegweisend für eine Einbettung bislang lediglich nebeneinander verlaufender Forschungslinien werden könnten.

2. VOM SPRACHSYSTEM ZUM LERNPROZESS

2.1 Der Behaviorismus

Die strukturalistisch-behavioristische Forschungsrichtung nimmt bis in die sechziger Jahre hinein innerhalb der Spracherwerbtheorien eine dominierende Stellung ein und markiert mit der auf die Arbeit Teaching and learning English as a foreign Language von Charles Fries (1945) zurückgehenden Kontrastivhypothese den Beginn der modernen Zweitspracherwerbsforschung. Das behavioristische Paradigma wird maßgeblich von Watson (1924) und Skinner (1957) entwickelt und begreift Sprache als eine Form des menschlichen Verhaltens. Ausgangspunkt sind Gewohnheiten (habits), die sich auf der Basis rekursiver Verhaltensreaktionen herausbilden (Stimulus-Response-Schema). Lernen erfolgt demnach durch Imitation und Verstärkung (reinforcement). Dementsprechend werden beim Zweitspracherwerb erstsprachliche Gewohnheiten auf die Fremdsprache übertragen, womit auch der Begriff des Fehlers in den Vordergrund rückt. Die von Fries (1945), Weinreich (1953) und Lado (1957) im Rahmen dieser Überlegungen ausgearbeitete Kontrastivhypothese besagt nun, dass der Lerner seine muttersprachlich automatisierten Gewohnheiten ohne Probleme analog auf die Zielsprache übertragen kann, wenn Ausgangs- und Zielsprache in Regeln und Strukturen übereinstimmen. Es kommt dann zu einem positivem Transfer bzw. zu einem negativen Transfer oder zur Interferenz, sobald die Strukturen voneinander abweichen. Besondere Aufmerksamkeit erhalten in dieser Konzeptualisierung Fehlerkategorien wie Konvergenz, Distribution und Divergenz. Im Fokus der meisten Untersuchungen, die auf die Kontrastivhypothese zurückgreifen, stehen phonetische und syntaktische Strukturen, was gleichzeitig demonstriert, dass für Lado und Fries die Verbindung von Lernpsychologie und linguistischem Strukturalismus im Vordergrund steht. In Anlehnung an Wardhaugh (1970: 123-130) wird die Schlussfolgerung Lados, dass sich Fehler entsprechend des formulierten Postulats prognostizieren lassen, als starke Version der Kontrastivhypothese bezeichnet, während die als Kritik an der starken Version entstandene schwache Version lediglich von einer nachträglichen Analysierbarkeit spricht (vgl. Fervers 1983: 38-39).

Didaktische Überlegungen wie auch die Kritik an der starken Version der Kontrastivhypothese haben in den Folgejahrzehnten zu einem neuen Untersuchungsfeld im Rahmen der Zweitspracherwerbsforschung geführt: Zur Fehleranalyse (vgl. u.a. Raabe 1980, Schneider 1982, Lewandowski 1990). Mit der Entwicklung der Kontrastivlinguistik und der Hinwendung zu pragmatischen und interkulturellen Fragestellungen geraten behavioristische Ansätze in den letzten Jahrzehnten wieder zunehmend ins Blickfeld. Zunächst jedoch wird die Kontrastivhypothese durch eine Reihe von Einwänden einer scharfen Kritik unterzogen. Dabei wird u.a. hervorgehoben, dass wegen der Beschränkung der meisten Untersuchungen auf phonetische und syntaktische Phänomene lexikalisch-semantische und pragmatische Vergleiche nicht berücksichtigt werden, so dass die These ihre Gültigkeit letztlich nur für einen sehr begrenzten Anwendungsbereich beanspruchen kann. Nicht nur wichtige Sprachbereiche, auch individuelle Variation und außerlinguistische Faktoren wie der soziale Kontext bleiben ausgespart. Vernachlässigt werde ebenfalls die Tatsache, dass es sich bei Interferenz nicht um eine statische, sondern dynamische Größe handle (vgl. Wode 1980). Generell, so die Kritik, greife das Interferenzkonzept zu kurz, denn entgegen der behavioristischen Bewertung von Interferenz als einem unbewussten und mechanischen Vorgang gelingt es u.a. Corder (1978: 175-184) nachzuweisen, dass Interferenz ebenso als bewusste kompensatorische Strategie eingesetzt wird. Daneben belegen empirische Studien (vgl. Ellis 1985: 29, Bausch/Kasper 1979: 7), dass Interferenz keineswegs die einzige Fehlerquelle beim weitspracherwerb darstellt; auch intralinguale Fehler sind möglich, z.B. durch Übergeneralisierung. Juhász (1970: 92-93) weist anhand empirischer Daten nach, dass nicht nur Kontrast, sondern auch Kontrastmangel zu Fehlern führen kann. In diesem Fall spricht er von einer homogenen Hemmung, d.h., trotz Strukturgleichheit überträgt der Lerner die ihm bekannte Sprachstruktur aus seiner Muttersprache nicht auf die Fremdsprache, da er davon ausgeht, dass es in diesem Bereich Unterschiede geben müsse. Schließlich weist Chomskys berühmte Skinner-Rezension (1959: 26-27), in der er kritisiert, dass die behavioristische Übertragung von tierischem Lernverhalten auf den Menschen den kreativen Aspekt des Sprachlernens völlig ausblende, bereits in die Richtung, die der Nativismus als entgegengesetztes Extrem nehmen wird.

2.2 Der Nativismus

Innerhalb des Kognitivismus repräsentiert der nativistische Ansatz den Modularismus der Sprache entgegen der holistischen Konzeption Piagets, die von einem reziproken Verhältnis von Denken, Sprache und Wirklichkeitserzeugung ausgeht, als unabhängiges Modul begreift, das universell gegeben ist.
In bewusster Abkehr von behavioristischen Lerntheorien betrachtet der nativistische Ansatz, der auf Chomsky (1959, 1965, 1986) zurückgeht, den Spracherwerb nicht als imitativen, sondern als kreativen Prozess und interessiert sich gerade für die von den Behavioristen weggekürzte black box: Spracherwerb resultiert danach aus dem Generieren und Testen von Hypothesen zur Beschaffenheit der Zielsprache durch den Lernenden. In der Identitätshypothese oder L1 = L2-Hypothese wird die Existenz universeller, angeborener sprachspezifischer kognitiver Erwerbsmechanismen – zunächst von Chomsky als LAD (language acquisition device), später als UG (Universal Grammar) bezeichnet – angenommen, über die Lerner beim Erst- und Zweitspracherwerb gleichermaßen verfügen. Seine Annahme angeborener mentaler Fähigkeiten, die zunächst den L1-Erwerb plausibel machen soll, gewinnt Chomsky aus der Beobachtung, dass Kinder linguistisches (implizites) Wissen erwerben, das ihnen die Produktion und Rezeption grammatisch akzeptabler Sätze und Äußerungen erlaubt, die nicht allein dem sprachlichen Umfeld entstammen (poverty of simulus-Argument). Induktive Generalisierung scheidet somit als alleinige Lernstrategie aus, denn das Umfeld liefert quantitativ wie qualitativ ungenügenden und fehlerhaften Input, und das Kind erhält auch kein negatives Feedback. Deshalb, so die Schlussfolgerung Chomskys, müsse es ein implizites, unbewusstes Wissen geben, dessen Inhalt basale Prinzipien bzw. eine Kerngrammatik darstellen. Es handelt sich z.B. um das Wissen darüber, dass im System natürlicher Sprachen Wortarten oder Wortstellungsregeln enthalten sind. Durch sprachspezifischen Input kommt es dann zu einer Parameterfixierung. Diese Universalgrammatik steuert nun auch den Zweitspracherwerb. Empirisch untermauert wird der nativistische Erklärungsansatz zum Zweitspracherwerb vor allem durch die Ausführungen von Dulay/Burt (1974: 37-53), die den Morphemerwerb des Englischen durch chinesische und spanische Kinder untersuchen und im Hinblick auf die gemachten Fehler beider Gruppen keine signifikanten Unterschiede erkennen können. Auf der Basis dieser Ergebnisse gelangen sie zu dem Schluss, dass dem L1- und L2-Erwerb dieselben psycholinguistischen Prozesse zugrunde liegen, die Kontrastivhypothese deshalb durch die Identitätshypothese ersetzt werden müsse: Lerner entwickeln danach mit Hilfe des fremdsprachlichen Inputs Hypothesen über die Struktur der Zielsprache, die permanent modifiziert werden (creative construction). Sie propagieren eine starke Version der Identitätshypothese, die besagt, dass sowohl die Prozesse als auch die Produkte des L1- und
L2-Erwerbs identisch seien, was insbesondere gleichförmige Erwerbsfolgen beweisen

würden. Allerdings wird diese Version später falsifiziert, da verschiedene Vergleichsstudien abweichende Erwerbssequenzen ergeben. Die im Anschluss daran formulierte schwache Version behauptet dagegen lediglich eine Ähnlichkeit zwischen L1- und L2-Erwerb (vgl. Bausch/Kaspar 1979: 9-13).
Neben empirischen Widerlegungen gibt es auch im Hinblick auf das nativistische Programm eine Reihe von kritischen Entgegnungen. So ist es bis heute nicht gelungen, die Existenz des Spracherwerbsapparats biologisch zu verifizieren (vgl. Toulmin 1971: 369-395). Ähnlich wie im behavioristischen Modell bleibt auch hier die Multidimensionalität des Zweitspracherwerbs weitgehend unberücksichtigt. Die Idealisierung der Universal Grammar isoliert den Spracherwerb vollständig von anderen Einflussfaktoren, die den individuellen Lerner sowie dessen soziokulturelle Umgebung betreffen. Schließlich sind die Unterschiede zwischen L1- und L2-Erwerb allzu offensichtlich (vgl. Bley-Vroman 1989, Riemer 2001: 666): Das Kind erwirbt zusammen mit den sprachlichen Mitteln beim Erstspracherwerb auch die fundamentalen Denkkategorien, mit denen es sich die Welt aneignet und die damit beim Zweitspracherwerb bereits existieren. Außerdem ist Misserfolg beim L1-Erwerb kaum vorstellbar, beim L2-Erwerb dagegen kein seltenes Phänomen. Auch die Beobachtung, dass bestimmte Fremdsprachen für Lerner schwerer zugänglich sind als andere, spricht eindeutig für einen gravierenden Unterschied im Hinblick auf den L2- gegenüber dem L1-Erwerb. Schließlich ist beim L2- im Gegensatz zum L1-Erwerb negative Evidenz durch den Lehrkörper gegeben. Der Zweitspracherwerb ist darüber hinaus ein nicht-linearer Prozess, ein Faktum, dass viel zu selten berücksichtigt wird. So ist der Erwerbsprozess hier von Phänomenen wie Fossilierung und Back-Sliding geprägt, Erscheinungen, die sich beim Erstspracherwerb nicht finden lassen.


All diese Einwände führen schließlich im Anschluss an den Nativismus zu der Frage, ob sich für den Zweispracherwerb überhaupt ein Zugang zur Universal Grammar konstatieren lässt. In seinem Monitor-Modell beantwortet Krashen (1985) die Frage im Hinblick auf die Identitätshypothese mit der Differenzierung von Erwerben und Lernen einer Sprache: Während Erwerben in ungesteuerter Umgebung für Kinder und Erwachsene ungeachtet ihrer Erstsprache unbewusst in festen invarianten Entwicklungssequenzen gleichartig verlaufe und einen kreativen Konstruktionsprozess darstelle, umfasse Lernen die Internalisierung explizit formulierter Regeln, wobei das Regelwissen im Gedächtnis gespeichert werde und einen Monitor bilde, einen Informations- und Kontrollmechanismus, der dem Lerner bei der Verwendung der Fremdsprache zur Verfügung stehe.
Felix (1982) spricht im Rahmen seiner Prüfung der Frage von einem teilweisen Zugang, der sich aus zwei überlagernden Systemen ergebe und kombiniert den Ansatz Chomskys mit dem Piagets, wobei nun auch individuelle Unterschiede erklärbar werden. Sein competition model geht davon aus, dass erwachsene Lerner zwar Zugang zu UG haben (LSC
= language-specific cognitive system); daneben allerdings gebe es einen Konkurrenten: Die bereits ausgereiften allgemeinen kognitiven Fähigkeiten (PSC = problem-solving cognitive system = PSC), die quasi eine Art Bremsfunktion einnehmen.
Mit der Fundamental Difference-Hypothese wird die Auffassung vertreten, dass die UG nach abgeschlossenem L1-Erwerb überhaupt nicht mehr verfügbar ist. Die beiden Spracherwerbstypen sind damit fundamental verschieden. Zur Veranschaulichung dieser Position können Untersuchungen herangezogen werden, die zeigen, dass Kinder im Falle der deutschen Sprache beim Erstspracherwerb z.B. keine Probleme mit der finalen Position des finiten Verbs in komplexen Nebensatzkonstruktionen haben. Dass demgegenüber Zweitsprachenlerner dazu tendieren, das Verb in die Postsubjektposition zu setzen, liege an der Übergeneralisierung der kanonischen Wortstellung, wobei die L2-Lerner eben nicht auf die UG rekurrieren, sondern allgemeine Problemlösungsstrategien aktivieren (vgl. Riemer
2001: 668).

2.3 Die Einbeziehung individueller, sozialer und interaktionaler Faktoren

Die Defizite der vorgestellten Ansätze liegen besonders in ihrer Produktorientiertheit und ihrer Abstraktion vom individuellen Lerner bzw. in dessen Idealisierung. Gleichzeitig werden auch die den Lerner beeinflussenden Faktoren seiner sozialen und kulturellen Umwelt nicht thematisiert. Mit stärker prozessorientierten Ansätzen soll dieses Defizit nun ausgeglichen werden. Dass es dabei auch darum geht, eine Brücke zwischen kognitivistischen und behavioristischen Ansätzen zu schlagen, illustrieren bereits einige neu aufkommende Begriffsdichotomien wie z.B. explizites (bewusstes) versus implizites (beiläufiges) Lernen oder input versus intake (vgl. Apeltauer 2001: 677): Während sich das erste Gegensatzpaar auf Lernformen bezieht, die beide im Verlauf des Zweitspracherwerbs eine Rolle spielen können, findet sich die Berücksichtigung kognitiver wie mechanischer Lernprozesse im zweiten Begriffspaar im Intensitätsgrad; d.h. nicht jeder Sprachkontakt führt auch automatisch zu dessen Internalisierung. Eine Verbindung von Interaktion und Kognition, die eine Dynamisierung der im nativistischen Programm noch vorherrschenden Ontologisierung von Kognition vornimmt, zeigt sich erstmals in dem Konzept der Interlanguage (Selinker 1972) bzw. Interimsprache (Raabe 1974), das zugleich ermöglicht, individuelle Varianzen erklärbar zu machen. Die These geht davon aus, dass sich der Lerner beim Erlernen einer Zweitsprache auf der Basis seines eigenen Sprachsystems und seines Weltwissens auch eine eigene dynamische Lernersprache schafft, die sog. Interlanguage, die ein dynamisches und fragiles Gebilde darstellt und für die bestimmte Fehlertypen charakteristisch sind. Dazu gehören u.a. Interferenzfehler, Vereinfachungen, Übergeneralisierungen, induzierte Fehler, Kompetenzfehler, Performanzfehler und verdeckte Fehler (vgl. Apeltauer 2001: 681-682).
Dieses Konzept wird Ausgangspunkt für eine Reihe von Versuchen, auf individueller Ebene die theoretische Kluft zwischen Außen- und Innenperspektive zu überwinden. So etabliert sich z.B. der Strategiebegriff als ein zentrales Bestimmungsmerkmal individueller Variation (vgl. Westhoff 2001: 684-691): Unterschiedliche Lerner bedienen sich demnach auch verschiedener Lern-, Kommunikations- Produktions-, Kompensations- kognitiver und metakognitiver Strategien, um eine Fremdsprache zu erlernen. Gleichzeitig betrifft diese neue Sichtweise auch den Lehrer und damit direkt die Lehrwerke, denn lehrerzentrierte Strategien wie Wiederholung, Reformulierung, Erklärung, Kontrastierung, Exemplifizierung und Hinweisgebung finden Eingang in die Interlanguage des jeweiligen Lerners und modifizieren diese beständig in Abhängigkeit von ihrer individueller Ausprägung, da sie den interaktiven Umgang des Lerners mit defizitärem Wissen betreffen.
Neben dem Strategiebegriff wird auch das individuell variierende Lernverhalten Gegenstand empirischer Untersuchungen: Extrovertiertheit bzw. Introvertiertheit, Motivation, Risikobereitschaft, Ambiguitätstoleranz und Einstellungen gegenüber der Fremdsprache sind unauslöschbare Faktoren, die in den Zweitspracherwerb einfließen. Im Hinblick auf die Motivation etwa unterscheiden Gardner/Lambert (1972) zwischen integrativer und instrumenteller Motivation. Erstere ist eine bessere Voraussetzung für das Erlernen einer Fremdsprache als letztere. Welchem Lerntyp ein Lerner zuzuordnen ist – z.B. visueller versus auditiver Lerntyp (vgl. Morawietz 1995: 76) – und welchen Lernstil er bevorzugt – z.B. deep, surface oder strategic approach (vgl. Entwistle 1987) – , aber auch, welche Lehrformen daraus resultieren – z.B. Frontalunterricht versus Gruppen- oder Partnerarbeit (vgl. u.a. Aschersleben 1986) – all diese Faktoren gelangen nun in den Fokus vieler Fragestellungen
im Hinblick auf den Zweitspracherwerb.

Schließlich wird auch nach den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gefragt: Schumann (1976: 391-408) formuliert auf der Basis einer Fallstudie die sog. Akkulturationshypothese bzw. Pidginisierungshypothese, die sich den sozioökonomischen, politischen und kulturellen Faktoren zuwendet, unter deren Einfluss ein Zweitsprachenlerner steht. Im Mittelpunkt seiner Studie steht die Lernersprache eines in die USA immigrierten Arbeiters aus Puerto Rico. Im Hinblick auf die Beobachtung, dass der Lerner ab einem bestimmten Stadium keine wesentlichen Fortschritte mehr machte, spricht Schumann von Pidginisierung und führt diesen Stillstand auf soziale Distanz zurück. Demgegenüber wirken sich kulturelle Assimilation und Adaption positiv auf die Erlangung der Zweitsprache aus, wie u.a. der gelungene Erwerb der hebräischen Sprache durch US-jüdische Einwanderer in Israel belegt. Auch das Heidelberger Projekt Pidgin-Deutsch (1977) unter der Leitung von Norbert Dittmar kommt zu dem Schluss, dass im Falle italienischer und spanischer Einwanderer in Deutschland weniger die Aufenthaltsdauer als vielmehr die Integrationsbereitschaft und - optionen eine tragende Rolle für den gelungenen Zweitspracherwerb spielen. Neuere Untersuchungen mit türkischen Emigranten auf der Basis von biographisch-narrativen Interviews zeigen u.a., dass Lerner dann erfolgreich sind, wenn sie mittels der Zweitsprache eine Identität aufbauen, die es ihnen erlaubt, Subjekt des Diskurses zu sein. Besonders erfolgreich verlaufe der Zweitspracherwerb deshalb bei jungen türkischen Frauen, die mit der Zweitsprache ihren Handlungsspielraum erweitern können (Buß 1995: 249-264).
In all diesen Tendenzen spiegelt sich das Bemühen wider, dem Lerner als Individuum gerecht zu werden, Lernprozesse zu fokussieren und für die zuvor vernachlässigte Faktorenvielfalt zu sensibilisieren, womit das Vakuum geschlossen werden soll, das die starren behavioristischen und nativistischen Modelle hinterlassen haben. Dennoch fehlt vielen dieser Ansätze letztlich eine empiriegestützte Theorie, die die verschiedenen Faktoren in ihrem Zusammenwirken erfasst und zu einem System integriert.

3. ONSTRUKTIVISTISCHE UND KULTUREMTHEORETISCHE INTEGRATIONSMODELLE

Grundlage für das Modell der Informationskonstruktion, mit dem der chilenische

Biologe Humberto Maturana in den siebziger Jahren das klassische Modell der Informationsübertragung ersetzt, ist die Entdeckung, dass die Objekte, die ein Tier sieht, nicht durch die Quantität des absorbierten Lichts bestimmt werden, sondern durch die Relationen, die zwischen den durch die Rezeptoren hervorgerufenen Aktivitätszuständen innerhalb der funktionalen Organisation der Retina des jeweiligen Tieres bestehen (vgl. Maturana 1998: 43). Diese Entdeckung veranlasst ihn, seine Theorie lebender Systeme zu entwickeln, die mit der traditionellen Neurophysiologie bricht und disziplinübergreifend Basis für neue Theoriekonstrukte und Paradigmawechsel wird. Lebende Systeme sind in konstruktivistischer Perspektive autopoietische Systeme, da sie sich selbst in Netzwerken der Produktion von Bestandteilen als Einheit verwirklichen und damit gleichzeitig die Grenze zu ihrer Umwelt festlegen (vgl. Maturana 1978a: 36). Wie das o.g. Beispiel zeigt, sind solche autopoietischen Systeme zustandsdeterminiert, da sie ausschließlich Veränderungen erfahren, die durch ihre eigene Organisation und Struktur festgelegt sind. Aus diesem Grund kennen autopoietische Systeme auch keine instruktiven Interaktionen: “an independent entity that interacts with a structure-specified system only selects the structural change that, in the system, follows the interaction but does not specify it” (Maturana 1978b: 32). Der konstruktivistische Ansatz wendet sich damit gegen repräsentationistische Modelle, indem er Wahrnehmungen der Außenwelt als Perturbationen begreift, die erst systemintern zur eigentlichen Information konstruiert werden. Selbstreferentialität bzw. Autopoiese sind in diesem Modell die Basiskonzepte, durch die Lernen zu einer Operation wird, die den Aufbau bzw. die Umgestaltung vorhandener kognitiver Konstruktionen betrifft (Maturana/Varela 1987: 188-189).

Durch neuere Einsichten in die Gehirnphysiologie gelangt der konstruktivistische Ansatz auch in den Blick der Zweitspracherwerbsforschung: Verschiedene neurophysiologische Befunde (vgl. Götze 1996: 2-4) verweisen auf eine Vernetzung unserer Hirnaktivitäten, was einen Bruch mit dem klassischen Dogma der Hemisphärenasymmetrie bedeutet. Die Forschungen zur Lokalisierung des Sprachzentrums im Hirn gehen auf die sog. split-brain-Operationen an Epilepsiekranken sowie auf klinische Untersuchungen zur Aphasie bei Mehrsprachigen zurück. Im Jahre 1865 beschließt der französische Arzt und Anthropologe Paul Broca kurz und bündig: „... nous parlons avec l’hémisphère gauche“ (Broca 1865: 384). Er entdeckt in der linken Hemisphäre das sog. Broca-Zentrum und initiiert damit die bis in die achtziger Jahre hinein vorherrschende Auffassung, die linke Hirnhälfte sei für die Sprache, die rechte dagegen für die Raumvorstellungen zuständig (vgl. Linke 1996, 26-28). Nun jedoch kann nachgewiesen werden, dass es im Gehirn eine äußerst enge und intensive Kooperation von Neocortex, limbischem System und Hirnstamm gibt, auf deren Grundlage Lernen als Bewertungs- und Auswahlvorgang überhaupt erst möglich wird. Der präfrontale Cortex stellt dabei das wichtigste Bindeglied zwischen dem übrigen Neocortex und dem limbischen System dar, das für Emotionen und die Bewertung des eigenen Tuns sowie das Gedächtnis zuständig ist (vgl. Roth 1997: 178-212). Lediglich das Zusammenfließen der beiden Aktivitäten – rationales und emotionales Vorgehen – im Stirnhirn ermöglicht es uns, das eigene Handeln an der Erfahrung auszurichten. Gefühle sind in diesem Sinne konzentrierte Erfahrungen, z.B. Warnungen. Wer nicht fühlt, kann deshalb auch nicht vernünftig entscheiden und handeln. Die darin implizierte Selbstreferentialität – die Selbstorganisation der Bewertungsschemata des Gehirns – ist dabei der entscheidende Faktor im Lern- und Speicherungsprozess: Gemachte Erfahrungen wie auch angeborene Begabungen schaffen die Grundlage für ein Bewertungssystem, das die eintreffenden Perturbationen anhand der Kategorien unbekannt versus bekannt bzw. wichtig versus unwichtig zu einer Information konstruiert. Diese Entdeckung weist nun das im Anschluss an den Nativismus sich entwickelnde Bestreben, Gehirn und Computer zu analogisieren, als völlig utopisches Unternehmen zurück. Denn beim Computer spielen im Gegensatz zum Gehirn Bewertungsinstanzen keine Rolle. Konnektionistische Modelle, die eine Computersimulation des Gehirns verfolgen, können deshalb nicht funktionieren. Was wir in unseren Köpfen haben, ist nicht immer etwas Neues, denn es tritt nur auf der Basis eines Bezugssystems auf, in das die neue Information eingebettet wird, was zugleich eine Absage an die Identitätshypothese impliziert. Der Lernstoff wird immer auf der Grundlage des schon Vorhandenen höchst individuell verarbeitet, denn jeder verfügt über unterschiedliche neuronale Schaltungen. Diese physiologischen Befunde wiederlegen darüber hinaus auch Lennebergs These von der kritischen Phase (1972: 189-190), die die Voraussetzungen für den Zweitspracherwerb zeitlich einzugrenzen sucht. Demnach sei das Kind vor dem zweiten Lebensjahr zu unreif; mit Beginn der Pubertät verliere es an Flexibilität für zerebrale Reorganisationen, was bedeutet, dass der Zweitspracherwerb jetzt nur noch grammatikorientiert erfolgen könne. Demgegenüber weisen die im Rahmen der Vernetzung der Gehirnoperationen gemachten Beobachtungen darauf hin, dass sich bereits pränatale neuronale Schaltungen für ein Sprachfenster ausmachen lassen, ebenso wie auch die Möglichkeit des Gehirns, neuronale Netze zu knüpfen, weitaus länger als bis zum zwölften Lebensjahr erhalten bleibt.
Der konstruktivistische Ansatz verfährt auf diese Weise holistisch, leugnet zwar nicht bestimmte Phasen, in denen z.B. der phonetische oder syntaktische Erwerb einfacher seien, stellt sich aber konsequent gegen eine Festlegung, denn prinzipiell operiert das Gehirn auf der Basis von Selbstorganisation und damit interdependent im Hinblick auf verschiedene Ebenen. Diese Sichtweise korrespondiert mit der Interlanguage-Hypothese, die sich an dieser Stelle ohne Weiteres integrieren lässt, da sie sich auf der Grundlage der dargelegten biologischen Erkenntnisse in konstruktivistischer Sicht als systeminternes Konstrukt verstehen lässt, das den sprachlichen Input lediglich als Perturbation erfährt.
Gleichzeitig eröffnet der Konstruktivismus durch seine Überwindung der Außen-Innen- Dichotomie in metatheoretischer Perspektive Raum für eine Integration erweiterter kontrastiver Fragestellungen (vgl. Mitschian 2000), die von den Behavioristen im Rahmen der Kontrastivhypothese erstmals thematisiert wurden. So trägt u.a. die kontrastive Pragmatik (vgl. u.a. Kühlwein 1990, Günthner 1993, Schröder 2005) maßgeblich zu einer Wiederentdeckung behavioristischer Erklärungsmodelle bei, da sich gerade Handlungsmuster wie Sprechakte, Höflichkeit, Indirektheit, Gesprächseröffnungen und -beendigungen interkulturell und damit auch interlingual voneinander unterscheiden und gleichzeitig besonders transferanfällig sind. Auch die kontrastive Textlinguistik eröffnet neue Untersuchungsfelder, was u.a. Studien zeigen, die divergierende Mittel der Textkohäsion (vgl. Enkvist 1984: 48-49) oder Unterschiede im Hinblick auf die Konstruktion von Wissenschaftstexten (Clyne 1987) zwischen verschiedenen Kulturen zutage fördern. Im Zuge der steigenden Relevanz interkultureller Kommunikation vollzieht sich – so ließe sich resümieren – auch im Übergang von sprachsystemzentrierten Fragestellungen zu solchen, die die interkulturelle Kommunikation als ganzheitlichen Prozess auffassen, eine Auflösung der Hemisphärendichotomie, indem Zweitspracherwerb nicht länger mit der alleinigen Fähigkeit zu semantischer und grammatischer Kongruenz gleichgesetzt, sondern um die Dimension pragmatischer und semiotischer Kongruenz erweitert wird: Sprachkompetenz wird nun umfassender als kulturelle Kompetenz definiert, da es nicht möglich ist, sprachliche Fähigkeiten von nichtsprachlichen – motorischen, auditiven, visuellen Faktoren – zu isolieren. Die lange vorherrschende Fokussierung der Produktionskompetenz wird nun um eine zunehmende Beleuchtung der Verstehens- und Interpretationskompetenzen ergänzt (vgl. Oksaar 2003: 28-38). Dabei kommt auch Oksaar zu dem Schluss, dass das Neue stets mit Hilfe des schon Bekannten identifiziert wird: „Ein Individuum steht allem Neuen mit seiner Erfahrung entgegen“ (Oksaar 2003: 33). Auf den Verstehensprozess bezogen bedeutet dies, dass das Gehörte oder Gelesene durch schon geläufige formale und semantische Strukturmuster und Bausteine erkannt wird. Oksaar greift zur Erhellung dieses Prozesses auf die Kommunikationstheorie Karl Bühlers zurück, der in diesem Zusammenhang von der konstruktiven und rekonstruktiven inneren Tätigkeit des Hörers spricht, der bemüht ist, etwas Unbekanntes mit schon Bekanntem in Einklang zu bringen (vgl. Bühler 1982: 171). Der Ansatz spiegelt damit den biologischen Konstruktivismus auf sozialpsychologischer Ebene wider.

Die von Oksaar (1988) entwickelte Kulturemtheorie verdeutlicht und analysiert das Zusammenwirken von informationstragenden Einheiten in zwischenmenschlicher Kommunikation: Im Hinblick auf die mündliche Interaktion muss dabei die in der Sprachenerwerbsforschung häufig übersehene Tatsache berücksichtigt werden, dass Information nicht nur verbal, sondern auch durch andere kommunikative Kanäle und Einheiten vermittelt wird, die zugleich auf den Inhalt einwirken können: Parasprachliche (Stimmgebungsqualität und Intonation), nonverbale (Mimik, Gestik, Körperhaltung,

Körperbewegung) und extraverbale (Zeit, Raum, Proxemik, soziale Variabeln wie Status, Rolle, Alter, Geschlecht, soziale Beziehung etc.). Das Modell geht nun davon aus, dass Themenkomplexe und Verhaltensweisen – sich grüßen, sich anreden, sich entschuldigen, seine Gefühle zeigen, Tabuthemen etc. – in verschiedenen Kulturen auch unterschiedlich gehandhabt werden. Oksaar nennt diese abstrakten Einheiten Kultureme und stellt sie den tatsächlich realisierten kommunikativen Akten entgegen, die sie Behavioreme nennt und die u.a. von alters-, geschlechts-, beziehungs- und statusspezifischen Faktoren abhängen. Zweitspracherwerb wird von Oksaar damit letztlich als ein komplexer interdisziplinärer Forschungsbereich entworfen. Da der Lernprozess nicht in einem Vakuum stattfindet und der Lerner durch seine schon beherrschte Sprache kulturell, sozial und individuell vorgeprägt ist, müssen die vier Komponenten Sprache, Kultur, Individuum und Gesellschaft in ihrem Wechselspiel erfasst werden, so dass gelungener Zweitspracherwerb nur auf das Ziel interkultureller Verständigung im allumfassenden Sinne hinauslaufen kann (vgl. Oksaar 2003: 35-36).

4. SCHLUSSFOLGERUNGEN

Während sich der erste Teil der Ausführungen einer kurzen Darstellung der verschiedenen Strömungen im Rahmen der Zweitspracherwerbsforschung sowie der prägnantesten Kritikpunkte im Hinblick auf die jeweilige Theorie widmete, illustrierte der zweite Teil zwei Modelle – den Konstruktivismus und die Kulturemtheorie –, die geeignet erscheinen, die Theorienvielfalt einzudämmen, indem sie in metatheoretischer Perspektive einen Hintergrund bilden, in den sich verschiedene Theoriefragmente einstellen lassen. Einige der im ersten Teil skizzierten Ansätze sind demnach mit einer konstruktivistischen Rahmung durchaus vereinbar. Denn hier wird exemplarisch vorgeführt, wie in einer interkulturellen Begegnung zwischen Sprecher und Hörer bzw. Produzent und Rezipient zwei selbstreferentiell prozessierende Systeme einen konsensuellen Verhaltensbereich bilden, innerhalb dessen reziproke Perturbationen ausgelöst werden können, die eine Modifikation des internen Bewertungssystems zur Folge haben. Der Konstruktivismus wird damit im Rahmen der weitspracherwerbsforschung zu einer Art Dachtheorie, die es ermöglicht, die verschiedenen heterogenen Konzepte in einer postkommunikativen Lerntheorie zu einem einheitlichen Gebilde zusammenzufassen. Monokausale Erklärungen werden aus den Angeln gehoben. Gefordert wird nicht nur eine holistische Sicht auf den Zweitspracherwerb, sondern ebenso ein aus dieser Erkenntnis resultierender Methodenpluralismus für den Fremdsprachenunterricht.

 


1. Ulrike Schröder ist seit 2006 Professorin für deutsche Sprache und Literatur an der sprach- und literaturwissenschaftlichen Fakultät der staatlichen Universität von Minas Gerais (UFMG), Brasilien, wo sie von 2003-2006 als Gastdozentin tätig war. 2003 hat sie ihren Doktortitel in Kommunikationswissenschaft an der Universität Essen, Deutschland, erlangt. Ihr Forschungsgebiet ist interkulturelle Kommunikation mit dem Fokus auf die Beziehungen zwischen Sprache, Kultur und Kognition.


5. LITERATUR

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